Methoden der Hundeerziehung
Wenn wir uns gelegentlich mit anderen Hundeschul-Betreibern, Trainern und Kenner der Materie unterhalten, wird man natürlich auch gefragt: Wie macht ihr es denn so?“ Wir antworten dann gewöhnlich etwa: „Der Rückruf, bzw. as 'Hier'-Kommando wird über einen Leinenruck trainiert, beim Ablegen,bzw. dem 'Platz'-Kommando stellen wir uns auf die Leine, usw....“. „Ach so, Ihr arbeitet ja noch nach der konventionellen Methode!“ Diese Reaktion wird von uns gewöhnlich mit einem Schmunzeln quittiert, denn das einzig konventionelle ist die Reaktion unserer Gesprächspartner und nicht unsere Methoden.
Vorab wollen wir kurz zusammenfassen, was eine Methode zur Hundeerziehung überhaupt leisten muss:
Sie muss dem Tierschutzgesetz entsprechen. Diese Minimalforderung ist nicht weiter erwähnenswert, denn ein Trainer, der sich nicht mal an dieses absolute Minimum hält, wird einfach ausgebuht.
Sie sollte wirken.
Sie muss reproduzierbar sein, ohne die Hundebesitzer zu überfordern.
Punkt 1 soll hier nicht weiter erwähnt werden.
Die Diskussion der Punkte 2 und 3 führt uns direkt in die Problematik, zu deren Bearbeitung wir etwas weiter ausholen müssen.
Der weitaus grösste Teil unserer Kunden hat einen Hund, der so etwa 2 bis 5 Jahre alt ist, der weder schwerwiegende Probleme hat, noch macht, der aber weitgehend unerzogen ist. Jahrelang hat der Hundebesitzer es erduldet, dass sein Hund an der Leine zieht, nicht auf Zuruf zurückkommt, andere Hunde überfällt und einiges im und ums Haus herum zerstört. Irgendwann reicht es dann, man ist bereits beim Gelenk-Orthopäden gewesen wegen des Ziehens, der Hund hat den Erbsessel von Oma gefressen, oder die Tierarztrechnung für Nachbars Hund verhindert den Jahresurlaub. Jetzt muss eine Hundeschule her - man kommt zu uns.
Der obengenannte Kunde soll noch etwas genauer 'durchleuchtet' werden. Zunächst eine „Ehrenrettung“: Praktisch alle unsere Kunden sind äusserst gutwillige, tierliebende Menschen, die es ihren Lieblingen an nichts fehlen lassen! Selbst die Tatsache, dass man eine Hundeschule aufsucht, besagt ja auch, dass man sich sorgt und etwas verändern will!
Aber genau hier liegt eines der zentralen Probleme, das wahrscheinlich die Existenz von Hundeschulen überhaupt erzeugt: Die Tierart 'Mensch' lebt mit der Tierart 'Hund' auf engstem Raum zusammen, wobei Emotionen entstehen können, wie sie an sich nur unter arteigenen Partnern vom Typ 'Mensch-Mensch' auftreten sollten. Da gibt es bekanntermaßen Auswüchse, die an Peinlichkeit nicht zu übertreffen sind. Andererseits ist uns natürlich klar, dass die Fähigkeit der Hunde, in uns Menschen solche Emotionen zu erzeugen, ihre wohl wichtigste 'moderne' Eigenschaft ist. Demgegenüber gibt es natürlich nach wie vor die 'Nutzhunde' in Form von Polizei-, Jagd-, Wach-und Hütehund – nicht zu vergessen den 'Sporthund' – die für Ihre 'Benutzer' eben den Nutzwert haben. Sollte dieser ausfallen (mangelnde Eignung, Alter, Krankheit..), wird oft kurzer Prozess gemacht: Weg damit! In manchen Weltgegenden mit althergebrachten Strukturen, in denen oft die Menschenrechte nennenswert weniger gelten, als hier unser Tierschutzgesetz, urteilen wir vorsichtig und nicht vorschnell, aber es spricht nichts dagegen, auch dort für bessere Verhältnisse zu werben (Beispiel: Ostasien und Schlachthunde). An dieser Stelle ist es auch notwendig, andere Tierarten zu erwähnen: Ist es sinnvoll, Hunde aus spanischen Tierheimen zu importieren, bevor sie vergast werden, und nicht genug gegen die Millionen von Hühnern, Schweinen, Kälbern u.a. in entsetzlicher Massentierhaltung HIERZULANDE zu tun???
Der letzte Absatz scheint nicht allzuviel mit Methoden der Hundeerziehung zu tun zu haben, aber da stimmt nicht. Er soll zeigen, wie weit sich der Mensch als Hundebesitzer von seinen Instinkten entfernt hat. Beispielsweise ist 'Rangordnung' eines der unausgesprochenen Hauptthemen unter Menschen (Beruf, Politik, Ehe/Partnerschaft, Eltern-Kinder...), aber dass Hunde hier perfekt mitspielen können, nimmt man nicht wahr. Die Emotionen, die unser Verhältnis zum Hund bestimmen, lassen diesen zu etwas anderem werden: meist zu einem Pflegekind, oder zu einem (gleichgestellten) Partner/Kumpel. Diese Anthropomorphisierung geht grundsätzlich schief. Es ist aber möglich, seinen Hund zu lieben, und trotzdem einen gewissermaßen 'erziehungstechnischen Abstand' zu halten – eben den Abstand, den die Leitwölfe bei Bedarf in einem Wolfsrudel halten, wie von vielen Wolfsbeobachtern berichtet wird.
Wir stellen in unserer Hundeschule den fast schon vermessenen Anspruch an uns, genau das bei unseren Kunden erreichen zu wollen! Diese sind meist mit viel weniger zufrieden. Wenn nur ein paar lästige Verhaltensweisen abgestellt sind...
Wir glauben, das man das Thema 'Hundeerziehung' lose in verschiedene Kategorien einteilen kann:
Zirkushunde und andere 'Profihunde'
Es ist kaum anzunehmen, dass ein Zirkusdompteur beispielsweise von einem seiner Hunde gebissen wird. Er muss 'ein Händchen' für Hunde haben, sonst wäre er gar nicht zu einem Zirkus gekommen. Dort können Methoden wie Clickertraining, perfekt getimte Futterverleitung u.s.w. buchstäblich sensationelle Erfolge zeigen. Sollte er seine Hunde frustrieren, werden sie (und er) versagen...
Hundetrainer-Hunde und ähnliche
Unsere vier Hunde müssen nicht besonders viel können. Abgesehen vom Zeitung holen, Rolle machen und Pfötchen geben, stellen wir nicht so sehr viele Anforderungen an sie. Sie sollen nur das können, was wir unseren Kunde anbieten: Wenn man Rehe sieht, diese NICHT verfolgen, sondern zurückkommen, Wenn der Chef mit einem Kundenhund arbeitet, muss man LIEGEN bleiben und sich nicht einmischen, und wenn es Streit gibt und ein Chef brüllt 'Donnerkeil', muss man sofort AUFHÖREN und sich zurückziehen. Wir wissen nicht, wie ehrgeizig andere Hundetrainer sind, wir wollen vor allem glückliche Hunde um uns haben, die 'wissen, wo's lang geht'. Selbstverständlich testen und perfektionieren wir unsere Trainingstechniken, wann immer ein neuer Hund in unser Familienrudel aufgenommen wird. Wir haben keine Zugang zu Instituten, in denen wir aufwändige Reihenversuche machen können, deswegen müssen wir unsere eigenen Hunde einsetzen. Das wird wohl überall so gehandhabt.
Die Hunde der Kunden
Diese sind für die meisten Hundeschulen das 'Corpus Delicti', für uns aber eher weniger! Wir machen den manchmal schwierigen Versuch, unsere KUNDEN davon zu überzeugen, dass sie die nötige Autorität entwickeln müssen, um gut mit ihrem Hund zurecht zu kommen. Natürlich trifft dieser Versuch häufig brutal auf die hier zum Thema gemachten emotionalen Gegebenheiten. Der Hundebesitzer gerät in einen Konflikt: Wenn er seine emotionale Bindung verändert, erscheint ihm der Grund hinfällig, weswegen er sich einen Hund angeschafft hat!
Ein möglicher Weg aus diesem Dilemma wäre, überwiegend den Hund zu bearbeiten, damit dieser die neuen Verhaltensweisen zeigt, die der Besitzer akzeptieren kann. Auf diesem Trainingsparadigma beruht eine ganze Klasse von Hundeschulen, die zwar am Aussterben ist, die aber früher sehr häufig vorkam: Man bringt seinen Hund für einige Wochen dorthin in Pension, und holt ihn (evtl nach einer Einführung) dann wieder 'erzogen' oder 'ausgebildet' ab.
Natürlich gibt es Situationen in denen auch das funktioniert: Ein Polizeihunde-Führer bekommt einen neuen Hund zugewiesen, der von anderen in der Polizeihundeschule trainiert worden ist. (Fragen wir lieber nicht, wie...). Oder ein Jagdpächter kauft einen neuen Fährtensuchhund, der von einem Spezialisten trainiert worden ist. Blindenführhunde müssen von 'Fremden' trainiert werden. Insider wissen aber, dass Top-Blindenführhunde nur noch Werkzeug sind...
Wir wissen, dass – abgesehen von Spezialfällen – das in der 'Fremdausbildung' erreichte in der Regel nicht dauerhaft aufrecht gehalten werden kann (Ausnahmen bestätigen die Regel). Das ist eher selbstverständlich, denn auch nach Einführungsseminaren ändert sich meist wenig an der Situation im Familienrudel. Wir wissen auch, dass Hundeschulen bei Reklamationen gelegentlich etwa so reagieren: „Der Hund ist gut erzogen! Wenn Sie nicht mit ihm zurecht kommen, hätten Sie sich besser einen Hamster zugelegt...“ Fatal ist, dass der Hund tatsächlich nachweislich gut trainiert worden ist! Der Hundebesitzer zieht dann ab, wie ein begossener Pudel...
Unser Weg, diesen Problemkreis zu bearbeiten, ist sicherlich nicht einfach: Über beispielhaftes Zeigen am Hund und Anliefern von Informationen hinaus ist es eine Art 'eindringliches Besprechen' des Themas. Durch Kritik an Detailsituationen („Sie haben den Hund wieder als ersten durch die Tür gehen lassen!!, Jetzt steht er auf, ohne dass Sie ein Zeichen gegeben haben!!“) versuchen wir individuell auf den einzelnen Kunden bezogen zu erreichen, dass dieser nach und nach immer besser sensibilisiert wird für die Notwendigkeiten. In irgendeiner Gruppe, auf einem 'Hundeplatz' könnte so etwas nicht stattfinden, schon gar nicht in Bezug auf die Wohnungssituation. (Gibt es auf Hundeplätzen jemand, der sich darum kümmert, ob ein Hund als erster durch eine Tür geht?...)
Mancher Leser könnte jetzt meinen, dass wir nur Kunden haben, die emotional am Zuneigungstropf ihres Hundes hängen. Abgesehen davon, dass das nichts schlimmes ist – wie oben erwähnt - , gibt es natürlich noch eine Menge Menschen, die beispielsweise Ersthund-Besitzer sind. Da gibt es manchmal andere Probleme. Das Wissen um die Strukturen mag vorhanden sein, es gibt ja gute Hundebücher – aber wie setzt man das um? Für Hundetrainer gibt es da manchmal eher niedliche Situationen, wenn man uns z.B. fragt, wie man die 12 Wochen alte 'Hundebestie' daran hindert, in die Hand zu beißen( .. das hieß doch Schnauzengriff..? Auuu, lass das...).
Von vielen 'modern' arbeitenden Hundeschulen wird versucht, das Dilemma des Kunden aufzufangen, indem man eben versucht, ausgefeilte Methoden der Hundeerziehung anzuwenden. Diese Methoden haben oft das gemeinsame Attribut der 'Gewaltfreiheit'. Technisch wird da viel über das 'Ignorieren unerwünschten Verhaltens' geredet, und als Gegenpol wird erwünschtes Verhalten positiv verstärkt durch Loben Und belohnen.Das ist zwar absolut nicht verkehrt, sondern im Gegenteil fachlich absolut richtig, wenn eben die Situation entsprechend ist , aber das verdient doch eine etwas nähere Beleuchtung.
Bei vielen Reisen an die südeuropäischen Urlaubsküsten – Kroatien, Griechenland, Sizilien, Portugal, usw. - konnten wir häufig halbwilde Hunderudel an den Stränden beobachten. Man kann nicht feststellen, ob die Hunde jemandem gehören, aber werden wohl hauptsächlich deswegen geduldet, weil sie 'Ungeziefer' und Unrat vernichten. Gemeinsame Attribute dieser Meuten sind perfektes Sozialverhalten und großer Respekt vor den Menschen. Aber immer wieder waren auch mal Gewalttätigkeiten zu sehen, vor allem, wenn es um Futter ging. Die große Frage ist jetzt, warum sich Menschen nicht - soweit es praktikabel ist - in dieses System einschalten sollten?? Auch unter Hunden gibt es z.B. 'negative Verstärkung' beim Ausbleiben von Strafe infolge 'richtigem' Verhalten. Es gibt gegenseitige Bedrohungen, die auch in richtige Schlägereien ausarten können. Wie meinen beispielsweise, dass es absolut hundegerecht ist, dem Hund mit der Hand eine 'Ohrfeige' zu verpassen, wenn wir dazu kommen, wie er sich gerade unser Frühstücksbrot klauen will! Andere Methoden, wie z.B. einen Topfdeckel oder die berühmten 'Disks' im richtigen Moment auf die Fliesen zu werfen, werden dadurch ja nicht falsch, nur kommt man oft nicht dazu, sie anzuwenden. Am schlechtesten ist definitiv, einfach da zu stehen und dem Hund beim Verspeisen des Frühstücksbrotes zuzusehen! Die eigentliche Problematik sehen wir darin, dem Menschen das richtige Maß beizubringen. Die Anweisung: „Jede Einwirkung muss gerade so stark sein, dass sie sofort das erreicht, was man bewirken wollte“, ist zu meist pauschal, um von Ersthundebesitzern umgesetzt werden zu können.